Der Hinweis auf prominente Säufer und Jäger wie Hermann Löns oder Ernest Hemingway erübrigt sich: Die innige Verbindung zwischen Jagd und Alkohol ist Allgemeingut, ja Klischee. Jawina.de beweist auch auf diesem Gebiet den entscheidenden Wissensvorsprung und präsentiert ein gelehrtes Fachbuch.
Ein Zitat im Vorwort des Buchs sorgt für die verdiente Einordnung des Stoffs in metaphysische Dimensionen: Auf die Frage, ob er an Gott glaube, antwortete Frank Sinatra einst: “Ich bin für alles zu haben, was einen durch die Nacht bringt, sei es ein Gebet, Tranquilizer oder eine Flasche Jack Daniels.”
Das aus der gleichnamigen Vortragsreihe der Victoria Bar hervorgegangene Werk “Die Schule der Trunkenheit” leistet dann auch weit mehr, als eine Art Beipackzettel und Gebrauchsanweisung für die gebräuchlichsten Barspirituosen zu liefern. Verfasst in auch zu fortgeschrittener Stunde noch leicht fasslicher Diktion und gewürzt mit hochprozentigen Anekdoten, skizziert der verdienstvolle Band die Bedeutung des Alkohols und der durch ihn hervorgerufenen Rauschzustände in welt- und kulturhistorischer Hinsicht. Dass die den geistreichen Getränken gewidmeten Abschnitte nicht Kapitel, sondern Semester heißen, unterstreicht den hohen, ja akademischen Anspruch des Fachbuchs. Wer wäre geeigneter, diesen gehaltvollen Stoff zu bemeistern, als das trinkfeste Autorenteam um Stefan Weber, Barchef der Berliner Victoria Bar und Gault Millau Barkeeper des Jahres 2001, seine Teilhaberin Kerstin Ehmer, Barkeeper Gonçalo de Sousa Monteiro und “die Seele der Victoria Bar”, Barfrau Beate Hindermann (Beitragsbild oben)?

Buchvorstellung in der Victoria Bar: Wie es sich für so eine Veranstaltung gehört, fließt der Champagner wenn auch nicht in Strömen, so doch in respektablen Rinnsalen.
Fotos: SE
Seit zehn Jahren spüren sie der Geschichte des Alkohols nach und “staunen selbst über die enge Verzahnung von politischen und wirtschaftlichen Prozessen mit der Ausprägung der einzelnen Spirituosen.” So lernen wir im Wodka-Semester, dass die Zaren über Jahrhunderte ihr Volk mit dem Destillat vergifteten und mit den Erlösen des staatlichen Alkoholmonopols Hofstaat, Prachtbauten und Kriege finanzierten. Doch es gab auch Nachteile: Die russische Niederlage im russisch-japanischen Krieg war nach Ansicht ausländischer Beobachter “auf die Alkoholpsychosen weiter Teile des Offizierskorps und den Alkoholismus der Mannschaften” zurückzuführen. 60 Jahre später war es gerade die Trinkfestigkeit des damaligen West-Berliner Bürgermeisters Willy Brandt, der den ehemaligen Kriegsgegnern aus dem Osten das nötige Vertrauen für eine Politik der vorsichtigen Annäherung, nun ja, einflößte.
Anhand der mit sicherer Feder hingeworfenen Kurzporträts namhafter, dem Trunke ergebener Künstler von Humphrey Bogart bis Hemingway verdeutlichen die Autoren, wie Alkohol in der Praxis die Kulturproduktion bedingt – oder zernichtet. Einige Cocktail-Rezepte von klassischer Eleganz im Anhang des Buches steigern den Gebrauchswert zusätzlich.
Die Kenntnis der historischen und produktionstechnischen Hintergründe der jeweiligen Spirituose vertieft die Bindung des Gewohnheitstrinkers an seine Droge und erleichtert dem Einsteiger die Wahl des zu ihm passenden Getränks. Es ist so, wie Peter Richter in seinem Nachwort schreibt: “Betrunken sein kann jeder. Aber trunken? Sind nur Kenner.” Fazit: Dieses fundierte Werk gehört in die Handbibliothek jedes ernsthaften Trinkers und aller, die es werden wollen. Stephan Elison
Die Schule der Trunkenheit.
Eine kurze Geschichte des gepflegten Genießens.
Vorwort von Pepe Danquart,
Nachwort von Peter Richter
Mit zahlreichen Illustrationen
von Angela Dwyer
14,0 × 21,5 cm, gebunden, 208 Seiten, ISBN 978-3-8493-0323-5 September 2013
20,00 € Metrolit Verlag