Der Schweizer Kanton Solothurn überarbeitet sein Jagdgesetz: Das Revierjagdsystem wird beibehalten. Aufhorchen lässt die Neuregelung des Wildschadens : Die Jäger zahlen weniger, dafür erhält der Kanton weitgehende Eingriffsrechte, wenn die Wildschäden aus dem Ruder laufen – ein Gesetz mit Modellcharakter?
Die kantonsrätliche Umwelt-, Bau- und Wirtschaftskommission (UMBAWIKO) hat dem totalrevidierten Jagdgesetz des Kantons Solothurn mit grossem Mehr zugestimmt, heißt es in einer Pressemitteilung des Kantons. Darin heißt es weiter: Das neue Gesetz trägt den veränderten rechtlichen, jagdlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen Rechnung. Das bisherige Jagdgesetz ist mittlerweile seit 28 Jahren in Kraft. Das Gesetz wurde über die Jahre zwar vereinzelt angepasst, aufgrund von veränderten rechtlichen, jagdlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen drängte sich ein neues Gesetz jedoch auf. Gleichzeitig müssen die neuen Vorgaben des Bundes in den Bereichen Jagd, Tierschutz und Waffenrecht ins neue kantonale Jagdgesetz übernommen werden. Unbestritten und daher beibehalten werden soll die Revierjagd als Jagdsystem des Kantons Solothurn.
Ein wichtiger Punkt der Totalrevision des Jagdgesetzes ist die neue Regelung bezüglich Wildschäden und der Frage wie viel die Jagdvereine an diese Schäden bezahlen müssen. In Zukunft sollen der Beitrag von Jägerinnen und Jäger an Wildschäden von bisher 50% auf 35% reduziert werden. Die Höhe dieser Zahlungen soll zudem auf den jährlichen Mindestpachtzins ihres Jagdreviers begrenzt werden. Im Gegenzug erhält der Kanton griffige Instrumente, um bei untragbaren Wildschäden eine effiziente Bejagung der
Wildtiere, die Schäden verursachen, zu fördern.
JAWINA hat mit Marcel Tschan, Jagd- und Fischereiverwalter des Kantons Solothurn, gesprochen. Wir wollten von ihm wissen, was man sich unter “griffigen Instrumenten” vorzustellen habe: “Wir haben ein kaskadenmäßig je nach Höhe des Wildschadens abgestuftes System von Eingriffsmöglichkeiten”, erklärt Marcel Tschan. “Das fängt damit an, das wir die Jagdplanung übernehmen oder die Anzahl weiblicher Stücke in der Abschussplanung erhöhen können. Was den Revierpächter von den bislang genannten Maßnahmen sicherlich am meisten schmerzt, ist die Möglichkeit, jagdkundige Dritte beizubringen. Das heißt im Klartext, dass wir Leute, von denen wir wissen, dass sie sehr effizient jagen, den Abschuss in den Revieren durchführen lassen.” Sollten diese Maßnahmen nicht greifen oder weiterhin gravierende Wildschäden entstehen, so kann schließlich auch der Entzug des Jagdreviers durch den Kanton angeordnet werden.
Weitere Ziele des neuen Jagdgesetzes sind zudem die Erhaltung der Artenvielfalt und die Vernetzung der Lebensräume der Wildtiere durch intakte Wildtierkorridore.
Bekämpfungspflicht von Neophyten
Der Auftrag von Thomas Studer (CVP, Selzach) verlangt, dass invasive Neophyten und die wichtigsten Problempflanzen konsequent bekämpft und die entsprechenden Gesetze angepasst werden müssen. Der Umgang mit Neophyten wird auf Stufe Bund in der Verordnung über den Umgang mit Organismen in der Umwelt übergeordnet geregelt. Ein
kantonal geltendes Anpflanzungsverbot lässt sich daher kaum durchsetzen. Wie der
Regierungsrat war auch die Umwelt-, Bau- und Wirtschaftskommission der Meinung, dass bei der konsequenten Neophytenbekämpfung eine nationale, wenn nicht sogar europäische Lösung angestrebt werden muss. Sie stimmte mehrheitlich dem Antrag des Regierungsrates auf Nichterheblicherklärung des Auftrags zu. PM Kanton Solothurn/SE
Beitragsbild: Internetseite des Kantons Solothurn mit der zitierten und verlinkten PM. (Bildschirmfoto, Ausschnitt)
Das Instrument der Zwangsbejagung gibt es unter bestimmten Voraussetzungen bereits in unseren Jagdgesetzen, wird aber m. W. aus nachvollziehbaren Gründen so gut wie nie angewendet. Voraussetzung dafür wäre bei uns eine chronische Untererfüllung des Abschussplans, nicht jedoch explizit die Höhe der Wildschäden. Selbstverständlich hängt das Eine aber mit dem Anderen zusammen.
Der Teufel steckt im Detail: Wer stellt den Wildschaden fest? Wer schätzt die Ernteverluste richtig ein? Nach welche Kriterien wird ein Wildschaden als erheblich eingeschätzt? Wie ist die absolute Höhe des Wildschadens in Relation zur Betriebsgröße zu berücksichtigen? Ein Biogasbetrieb, der 5000 Hektar unter dem Pflug hat, wird den Totalverlust von fünf Hektar Mais als unerheblich einstufen, während der gleiche Wildschaden für einen kleinen Familienbetrieb existenzbedrohend sein kann.
Wichtig wäre eine gesetzliche Regelung, die die Höhe des zu tolerierenden Wildschadens in Relation zur Betriebsgröße beschreibt. Wann immer der Jäger beim Ausgleich von Wildschäden vollständig aus der Verantwortung genommen wird, werden schwarze Schafe das ausnutzen. Und wann immer Wildschäden per Gießkanne beglichen werden, wird es ebenfalls Leute geben, die das ausnutzen.
Wir Jäger müssen einfach nur unserer gesetzlichen Verpflichtung nachkommen und Wildbestände an die Landeskultur anpassen. Und Landwirte und Waldbauern müssen begreifen, dass wir ihre Dienstleister sind, die nächtelang den Mais, Kartoffeln und Naturverjüngungen bewachen. Das macht keineswegs immer Freude und stellt nicht die Krone des “edlen Weidwerks” dar.
Wenn Wild weiterhin im gesellschaftlichen Konsens Bestandteil der heimischen Natur (siehe Jagdgesetz Land Brandenburg) bleiben soll, dann müssen die als Wildschaden bezeichneten Lebensäußerungen des Wildes auch in gewissen Grenzen toleriert werden.